Ich bin Ich

Ich bin ich
Wolf der alleine heult,
Gegen-den-Strom-Schwimmer,
Andersmacher,
Selbermacher,
Alleingänger
Sonderling,
Rufer in der Wüste des Gleichmut
Ein Stachel im Fleisch der Routiniers.
Sand im Getriebe der Gesellschaft,
Ruhestörer,
mit Ecken und Kanten,
zu rund für das Eckige,
Spaßvogel im Miesmachernest,
Träne im Emotionsozean,
Einzelstück in Massenware,
In Drachenblut Badende,
immer noch verwundbare
Liebhaberin des Lebens,
Das bin ich.

tara

Text und Bild ©Anne V.1998

Requiem für einen Zuckertopf

Für meinen alten Zuckertopf

Eben, grade bist du mir
Mit einem leisen, atemlosen Knacks zerbrochen.
Ich hing mit herzverklärter Nostalgie an dir,
Eine alte Tasse fiel auf dich,
Beim schnöden Putzen nach dem Kochen.

Weiss wie Gebein und zuckerleer,
Liegt vor mir dein porzellaner Scherbenhaufen.
Ich liebte dich so viele Jahre sehr,
Man kann dich lang schon nicht mehr kaufen.

Ich habe deine Scherben aufgelesen
und in ein Schachtelchen zur ew’gen Ruh gebettet,
Du bist mir 30 Jahre treu gewesen,
hast „Bitter“ mir, und „Sauer“, oft nach „Süß“ gerettet.

Du wirst mir fehlen
an den dunklen Winternachmittagen,
wenn hübsch du mir den schwarzen Tee versüßt,
auch werden Freunde nach dir fragen,
und dich vermissen: Sei gegrüßt!

Ich weiß nicht, vielleicht kann man dich noch kleben?
Viel Hoffnung hab ich nicht: Das wärst nicht du!
Ich blick auf Scherben und so viele Jahre Leben,
und mache weinend deine Schachtel zu.
© A.V

Weil du bei jedem Treffen mit Freunden auf dem Tisch ein gemütliches Plätzchen gemacht hast und so manchen letzten Kaffee aus deinem Bauch heraus gesüßt hast.

Folgenden Eintrag schrieb ich ganz am Anfang meiner Blogzeit im 0ktober 2005.

Mein alter Zuckerpott

Spruch des Tages
Die Erinnerung ist ein Fenster, durch das ich sehen kann, wann immer ich will.
(unbekannt)

Ich habe einen um die 100 Jahre alten Zuckerpott. Aus Fürstenberger Porzellan, weiß, mit einem schmalen, dunkelblauen-goldenen Band unter dem oberen Rand, bauchig, mit zwei Henkeln seitlich.

Kein schmalbrüstiges, kalorienbewußtes Zuckerschälchen, nein, mein Zuckerpott ist was für Kenner! Da passt ein ganzes Pfund Zucker rein und man braucht einen Teelöffel mit langem Stiel, um ihn wieder raus zu bekommen. Ein richtiger hand-und standfester Zuckertopf eben.

Er begleitet mich schon fast 30 Jahre. Ich fand ihn, als wir, mein Exmannn und ich, unsere erste, gemeinsame Wohnung nahmen, in einem alten, sehr alten, verkommenen, ehemaligen Bauernhaus. Er stand in einem wurmstichigen Jugendstilschrank hinter den blinden Scheiben des Vitrinenaufsatzes. Verdreckt war er, ich hab ihn gefunden als ich den Schrank aufarbeiten wollte. Ich weis‘ noch das ich erst Blumen reingetan hab, Wiesenschaumkraut und Kornblumen, wir waren grad erst eingezogen und ich konnte keine Vase finden.

Indirekt war er schuld an dem ersten, ernsthaften Streit mit meinem späteren Exmann.

Ich hatte gekocht an diesem Abend und den Tisch mit extra besorgten Platzsets aus blauem Bast, Kerzen, und eben jenem Zuckertopf mit Wiesenblumen gedeckt.
„Was hast du denn vor?“, fragte E. damals misstrauisch, „willst wohl einen auf Familiengründung machen? Aber nicht mit mir , schlag dir das aus dem Kopf!“ Er meckerte übers Essen, er meckerte über die Tischdecke, er meckerte über den Zuckerpott.
Ich weinte, ich liebte ihn doch so, nein, ich wollte keine Familie gründen, oder vielleicht doch?

Jedenfalls gab ein Wort das andere, wir wurden immer lauter und schließlich packte ich meine Bettdecke, meine Katze, meinen Staubsauger und eben jenen Zuckertopf samt Blumen und Platzdeckchen, in mein türkisfarbenes Datsuncoupè (ich war so unglaublich stolz auf dieses Auto damals) und brauste mit quietschenden Reifen vom Hof.

Ha, dieser Vollidiot, sollte er doch ohne mich zurecht kommen und mit seinen WG-Saufkumpanen unter die Räder kommen!

Tränenblind fuhr ich aus der Hofeinfahrt auf die Landstrasse, es fing an in Strömen zu regnen, und, nach hundert Metern hatte ich einen Platten. Ich saß heulend im Auto, schimpfte auf E. und seine Kumpels und auf mich, weil ich so blöd war, und auf die Katze, die sich aus ihrem Katzenkorb befreit hatte, und anfing panisch im Auto zu maunzen und die Bastdeckchen zerlegte…. Kurz ich war einem Zusammenbruch sehr nah.

Beim Verlassen des Hofes war ich unserem Mitbewohner fast über die Füße gefahren und er hat wohl ein ernstes Wort mit E. gesprochen. Er hat es mir fast 20 Jahre später auch mal gesagt was er E. damals sagte.

Kurze Zeit später stand mein reuiger Geliebter vor mir, mit einem alten Regenschirm und schuldbewußtem Gesicht, und bat mich doch zurück zu kommen. Der Wagen sei sowieso platt, er würde mir nachher den Reifen wechseln, … und ausserdem würde er mich lieben…! Ich saß schluchzend in dem Auto und konnte gar nichts machen. Er nahm den Kater beim Schlafittchen, schnappte sich den Zuckerpott und die Decke vom Beifahrersitz und spurtete durch den Regen die wenigen Meter zurück ins Haus. Ich trottete ihm hinterher unter dem alten, löcherigen Regenschirm und hatte nur Sorge, dass er den Zuckertopf nicht fallenließ. Wir versöhnten uns an diesen regnerischen Tag im Frühsommer des Jahres 1975, wir gründeten eine Familie, der Zuckertopf hat inzwischen auch die verlustreiche Scheidung und 4 Umzüge überstanden.

Er steht immer noch in meiner Küche und eigentlich will ich ihn gar nicht mehr benutzen, weil er doch kaputt gehen könnte und ich so viele Erinnerungen mit ihm gemeinsam hab. Aber er ist doch so praktisch und robust.

Immer, wenn ich ihn auf den Tisch stelle, wenn ich mit Freunden gemütlich Kaffee oder Tee trinke, bewundert ihn Irgendjemand: meinen robusten, wunderschönen, alten, praktischen, weißen Zuckerpott mit dem schmalen dunkelblauen Bandmuster aus feinstem Fürstenberger Porzellan.
© A.V 2005

Nachtrag am 1.12.2008

Du hast immer in meiner Küche gestanden, wie Reinhard Mey ist mir und meinen Freunden, das der liebste Platz:
Ma Cuisine!