Falsche Propheten

Vielleicht, nein, ganz bestimmt liegt es an meiner eigenen Befindlichkeit, aber im Moment ist es mir hier im Blog oft unbehaglich.

Nun könnte ich ja über das Bloggeschehen, das ich oft nur beiläufig wahrnehme, und über das ich mich, weil glücklicher Besitzer eines Real-Lifes, ausdrücklich nicht aufregen möchte, einen feingeknüpften Teppich breiten und all das, was ich sozusagen aus den Augenwinkeln wahrnehme, unter Selbigen kehren. Leider ist diese innere „Ignotaste“ in meinem genetischen Bauplan nicht vorgesehen.

Ich lese bspw. von leckerem „Slow Food“ und amüsiere mich innerlich, wenn es sich als gemischter Salat herausstellt, den ich schon seit Jahren immer dann auf den Tisch bringe, wenn es schnell gehen soll, und ich keine Lust aufs Kochen habe.

Ich lese kopfschüttelnd Texte, die, obwohl sie mit einem deutlich überhöhten, lyrisch-poetischen Anspruch daher paradieren, irgendwie gar nicht mal so gut sind,(*),aber 5-10 überaus lobende, zum Weitermachen motivierende Kommentare bekommen.

Mit der „Fazination des Grauens“ schaue ich mir im „Kunst“blog mit Serviettentechnik verschönerte Dachziegel an, und schwanke, ob ich die nicht, ehrlicherweise, doch noch schöner finde, als das effektheischende Kunstschaffen manch anderen selbsternannten (Lebens)-Künstlers.

Aber, ob sie jetzt malen oder musizieren, schreiben oder Balsamicoreduktion über ihr Rührei geben, all diese Blogger sind harmlos gegen die, wie ich sie nenne, Philosophie-Mafiosi.

Es vergeht kein Tag an dem ich nicht über mindestesten ein heilversprechendes, neues Blog stolpere und irgendwie haben die alle binnen kürzester Zeit jede Menge „Freunde“ auf der Buddylist. So schmöker ich mich des Nächtens dann durch die Bloglandschaft und schwanke zwischen Lachen und Weinen beim Lesen des gradezu naiven Positivismus sinnsuchender Frauen in der Lebensmitte oder der Mantras der „Chaka – du – schaffst – es“ intonierenden, geschäftstüchtigen Endzeitmystiker.
Nahezu täglich begegnet mir da irgendein frisch geföhnter, stromlinienförmiger Scharlatan mit Zahnpastalächeln und angeblicher alleinseligmachender, transzendenten Botschaft, oder, noch schlimmer, „Methode“ zur mentalen Klarheitsfindung.
Zudem sind alle diese zweifelzauberhaften Amelies, Pseudopsychocoaches, LebensundLifestyle-verrater, reikischickende Sichdieweltschönredner und traumtänzerischen Beziehungsschamanen auch noch miteinander vernetzt und schicken sich gegenseitig Licht und Liebe. Nennt mich Banause, aber ich entwickle Phobien angesichts dieser „Heilsbringerschwemme“. Fast alle haben regelrecht fanatische Züge und mit Verlaub, genau dieser Fanatismus ist es, der mich die Hab-Acht-Öhrchen aufrichten lässt und mir suspekt erscheint.

Dabei ist es gar nicht so, dass ich ein Problem mit alternativen Lebenskonzepten oder religiösen oder „esotherischen“ Philosophien hätte. Eher im Gegenteil, lebe ich doch, soweit es mir möglich ist, solch einen „anderen“ Lebensplan schon viele Jahrzehnte. Mit der Thematik habe ich mich schon beschäftigt als man in deutschen Buchhandlungen noch in die Ecke mit den Kochbüchern geschickt wurde, wenn man nach esotherischer Literatur fragte und einige der heutigen Gurus noch ein wager Gedanke in der Familienplanung ihrer Eltern waren. Berufsbedingt habe ich mich schon in den frühen Achtzigern mit diversen alternativen Heilmethoden und psycho-sozialen Konzepten mit z.T. mehrjährigen Aus- und- Weiterbildungen befasst. Schon sehr, sehr lange habe ich für mich auch die unfassbare Vielfalt der Dinge zwischen Himmel und Erde und das tägliche Wunder darin akzeptiert. Eigentlich müßte ich mich doch freuen über diesen Boom der charismatischen Meisterpsychologen/Innen, schamanischen Heiler/Innen und mit Engeln korrespondierenden, tantrische Erotikcoaches

Warum habe ich dann so ein „falsches Gefühl“? Warum sehe ich diese Heilsbotschaften so (über)kritisch und hab auch noch ständig was zu meckern?

Vielleicht weil ich mich beim Lesen all dieser herbeizitierten Lebensweisheiten, an das alte Spiel „Stille Post“ erinnert fühle. Dabei musste man sich einen Satz ausdenken und diesen seinem Nebenmann ins Ohr flüstern. Die Nachricht, die dann beim letzten Mitspieler in der Flüsterreihe landete, hatte mit der ursprünglichen Botschaft meist kaum noch Gemeinsamkeiten.
Ich wünsche einen schönen Abend

(*ich hab Stunden gebraucht um diese Umschreibung für „grottoid“ zu finden*)
(* Von obigem Post nehme ich ausdrücklich jedes Mitglied meiner Freundesliste aus.
Für alle anderen gilt : „wem die Jacke passt , der zieht sie sich an“