Der Herr schenke mir Ruhe und Gelassenheit

Seit vielen Jahren nehme ich mir täglich vor, mich nicht mehr über bestimmte Sachen zu ärgern oder aufzuregen. Ich „hab nämlich nicht nur Rücken“ wie Horst Schlemmer sagen würde, sondern auch gefährlich Blutdruck. So richtig hoch ist der oft und irgendwie gar nicht aufregungskompartibel. Also versuche ich ruhig zu bleiben, setze meinen flauschigen, weißfedrigen Scheinheiligenschein auf und verströme heitere, positive Gelassenheit beim Hinnehmen all der Ärgernisse die zu ändern nicht in meiner Macht liegt.

Ha, wenn mir das doch immer so mühelos gelingen würde. Selbst nach jahrelanger Übung schaffe ich es, bei bestimmten Begebenheiten und Personenkonstellationen, einfach nicht mich und meinen Blutdruck, da raus zu halten. Dabei wäre es definitiv besser für mich und für meinen Blutdruck sowieso.

Aber meine Psyche macht manchmal dreist, und quasi im Alleingang, echt komische Sachen. Bei Unfreundlichkeit zum Beispiel, bei Dreistigkeit und Unverfrorenheit und bei Menschen, die sich dumm stellen oder noch schlimmer, denken sie könnten mich für dumm verkaufen, da wird die echt putzig.

Heute z. B. war ich wieder bei der örtlichen Poststelle meines Vertrauens.
Mal abgesehen davon, dass ich öfter dort bin, und immer etwas Dickere, Größere, weil mit Gestrick gefüllte Umschläge, dort abgebe, achte ich eigentlich immer darauf, dass der Umschlag dann doch noch als Brief zugestellt werden kann. Das spart Portokosten und ich hab es nicht so dick.

So auch heute. Ein großer gefütterter A4 Umschlag mit Socken und Mütze und ein kleiner handgemalter A6 Büttenumschlag mit einer Briefkarte. In ihn hatte ich einige Häkelblüten verpackt, weshalb er etwas dicker war, aber gut verklebt und stabil verpackt. Wie immer eine lange Schlange vor den Schaltern. Wie immer von den sechs Schaltern nur drei besetzt. Wie immer drei, genervt wirkende, Postbeamte am Serviceschalter und mehrere, ausgesprochen gut gelaunte, sich angeregt unterhaltende Mitarbeiter, hinter einem Raumteiler, die sich die Zeit mit Pausemachen vertrieben. Wie immer hatte ich schon beim Betreten der Post das Gefühl irgendwie grad total ungelegen zu kommen.
Einer dieser Beamten ist mein spezieller Freund. Ich hatte schon mehrmals Probleme mit ihm, weil er jedes Mal mehr Porto haben will als seine Kollegen. Ich schrieb schon mal was drüber: http://annesideenreich.blog.de/2010/03/31/begegnungen-8284791/

Auch heute prüft er wieder mit süffisantem Lächeln ausgiebig die Umschläge frankiert sie mit diesen hässlichen Klebern und verlangt grinsend 5,55 € von mir. Ich spüre förmlich, wie Wut in mir hochkocht und Psyche mir den flauschigen Scheinheiligenschein von Kopf fegt. „Können sie mir sagen, wie sie auf diesen Betrag kommen? Frage ich noch mühsam beherrscht. „4,10 Euro für das Päckchen, (damit meinte er die Versandtasche,) und 1, 45 Euro für den Großbrief!“Damit war der Briefkartenumschlag gemeint.) grinst er mich an. Ich hatte beide Umschläge vorher gewogen und wusste, dass ich maximal 3,60 € für beides würde bezahlen müssen. Ich war so wütend über diese Dreistigkeit, dass ich doch ziemlich pampig geworden bin und verlangt hab, dass er seine Klebies wieder ablöst und mir die Briefe zurück gibt.
Ich hätte keine Lust für die Dienstleitung des Aufklebens einer Briefmarke fast 2 Euro zu bezahlen und fände sein Verhalten unverschämt, habe ich ihm gesagt. Zumal das nicht das erste Mal war. Bei jedem anderen Postbeamten bezahle ich weniger Porto. Da faucht der mich an, ich solle ihm dann den Gefallen tun, und ihn dann auch mit meiner Anwesenheit und meinen Wünschen nicht belästigen. Ich schwöre, das war der Originalton.

Mir bleibt wirklich selten die Spucke weg, aber im ersten Moment war ich dermaßen geplättet über so eine Unverschämtheit. Dann hab ich ihm, mühsam Haltung bewahrend, geraten, doch mal einen Kurs in klientenzentrierter Gesprächsführung und kundenorientiertem Arbeiten zu belegen, und ihm eine Dienstraufsichtbeschwerde angekündigt, hab meine Briefe geschnappt und bin aus der Post gerauscht. Draußen hab ich am Automaten das nötige Porto gezogen und die Briefe in den Kasten geworfen. Liebe H. und liebe D., wenn ihr jetzt Nachporto zahlen müsst, sorry, ich bin’s schuld.
Im Auto allerdings hab ich völlig die Fassung verloren, mir kamen echt die Tränen vor Wut. Manchmal hätte ich gute Lust auf nonverbale Meinungsverstärkung. Wieder zu Hause hab ich einen Brief an die hiesige Poststelle geschrieben und mich beschwert. Den Nutzen wage ich allerdings zu bezweifeln, so gut, wie die sich alle amüsieren hinter der Regalwand, während vorm Schalter die Leute bis auf den Parkplatz Schlange stehen.

Für heute bin ich wieder mal bedient. Ich entwickle echt eine Sozialphobie, denn es ist mir einfach nicht gegeben, bei solchen Dummdreist-Spacken noch sachlich zu bleiben. Manchmal hab ich den Eindruck die Zahl der Vollzeitidioten um mich herum potenziert sich gradezu mit zunehmendem Lebensalter meinerseits.

19 Gedanken zu “Der Herr schenke mir Ruhe und Gelassenheit

  1. Hallo Tara-Anne,

    auch ich kann mich in deine Situation hineinversetzen und bitte darum mich in der Schlange (beim Herrn für Gelassenheit bzw. Geduld) anstellen zu dürfen.
    Die Post, die deutsche Bahn… naja, ich drück´s mal so aus serviceorientiert ist was anderes… da muß man sich nicht wundern, das der Ausspruch „servicewüste Deutschland“ gilt.
    Dabei möchte ich eine Lanze für die netten und hilfsbreiten Verkäuferinnen und Verkäufer brechen, die in unmöglichen Schichtdiensten, auf Abruf und mit diesen Öffnungszeiten leben „müssen“. All denen vielen Dank!!!!

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  2. ich würde sagen: pech gehabt …
    kein leichter job auf jeden fall, den diese dummdreistbacken bei der post oft schieben, also wenn ich als dortiger hohen blutdruck hätte …
    aber ich verstehe natürlich auch deine seite der medaillie, das leben ist eben oft auch in einfachen dingen nicht leicht …
    so take it easy
    nix tränen (das ist der falsche anlass)
    pinsel in die hand und ärger malend luft verschaffen :yes:
    et a bientot
    L.

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  3. Holla, so was ist mir glücklicherweise noch nie passiert.
    Was für ein A…
    Da kann ich (sonst auch sehr ruhig) auch richtig böse werden. Oft aber sage ich mir dann auch: Armer Kerl, der ist ja schon genug damit gestraft, daß er tagtäglich mit sich selber leben muß. Denn die meiste Zeit verbringt ein Mensch ja doch mit sich selbst.
    Hab also Nachsicht, ist ne ganz arme Sau. 😉

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  4. Du bist auf dem besten Weg zum Herzinfarkt, zahlt sich das aus?
    Mir ist es so jahrelang gegangen bis ich ohne Vorwarnung überraschenderweise und urplötzlich mit einem Infarkt im Spital war. (Folge: Bypass und Schrittmacher) Diesen Infarkt habe ich mir von Taxlern, Kellnern auch an Postlern und unkompetenten, trägen Beamten zugezogen.

    Mit Verkäufern kann ich gnädig umgehen, war ich doch selbst im Verkauf. Das heißt aber nicht, dass ich nicht einmal einer Verkäuferin wutschnaubend die Hose an den Kopf geworfen habe die sie mir eigentlich verkaufen sollte. Seither vermeide ich Bedienung, ich bediene mich lieber selber.

    Seit mein Blutdruck daraufhin medikamentös eingestellt wurde geht es mir besser. Allerdings gehören auch einige kleine Umstellungen in der Ernährung dazu.
    Jetzt nach einigen Jahren Eingewöhnung bringt mein Blut nichts mehr so schnell in Wallung, ich wundere mich nur noch was sich so um mich rundherum alles abspielt.
    Gelassenheit ist mir gegeben worden.

    Alles Gute für Dich beim nächsten Postbesuch. Bitte lass uns wissen ob die Empfängerinnen Strafporto bezahlen mussten.Lg.igu

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  5. da hab ich einfach mal leer geschluckt beim lesen…. Ich glaube kaum, dass so eine unverschämtheit hier denkbar wäre!

    armes änneken!

    und

    ich weiss, dass das oooohhhhmmmmm nicht immer so leicht zu praktizieren ist.

    aber

    trotzdem: oooohhhhhmmmmmmmmm ;D

    bisous

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  6. Ooooh meine Liebe, ich kann dich sooo gut verstehen. Haben wir doch auch solche Vollpfosten in der hiesigen Post stehen. Tja und gestern..ja gestern habe ich im Streit bei einer Werkstatt (es ging um eine Kamera) sogar einen Fingernagel einbüßen müssen….näheres später in meinem Blog.

    LG und viel Erfolg mit der Beschwerde!

    Danie 🙂

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  7. Liebe EwaGreen,
    ich schrieb es oben schon, so eine Post gibt es in der Republik wohl öfter. was mich aber auch nicht froher macht.
    Das es auch anders geht, beweisen mir jedes Mal aufs Neue einige sehr engagierte Mitarbeiter der Stadt. Promte Erledigung, und immer freundlich. Als ich mich vor einiger Zeit bei einer dieser Mitarbeiterinnen für ihre Hilfsbereitschaft in einer sache , die ich ehrenamtlich betreue bedankete, meinte sie ich sei die Erste in langen Jahren die sich bedankt hätte.
    ich konnte nur ungläubig den Kopf schütteln, auch da !
    Lieben Gruß
    Anne

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  8. Was ich da so locker flockig über meinen Blutdruck geschrieben hab ist eher untertrieben, gesund ist echt anders und ich fühle mich begründet Herz oder Schlaganfall- gefährdet. Grade deshalb übe ich mich ja ernsthaft im Wegsehen und Hören. Deshalb übe ich mich in einem Zweckoptimismus und Positivismus der einige meiner engeren Freunde schon wieder auf die Palme bringt. Trotzdem schaffe ich das manchmal nicht, und eben gestern auch nicht.
    Ich hoffe sehr, dass die Empfängerinnen kein Strafporto zahlen mussten,das wär ja jetzt mehr als peinlich. Eine kannst du nächste Woche selber fragen.
    Sehr liebe Grüße zu dir und noch mal gute Besserung für dein Knie
    Anne

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  9. liebes sternchen, danke für dein Mitgefühl, es tut mir gut zu wissendass andere auch die Kränkung dieser frechheit nachempfinden können. Ich denke oft ich recgiere über , wenn ich mich so über so was ärgere und manchmal denke ich auch ich ticke nicht richtig und der andere ist vielleicht im Recht wenn er sich mir gegenüber so verhält.
    Ach, du weisst schon was ich meine
    Danke für die große Portion oooohhhhhmmmmmmmmm , Hat mir sehr gut getan. 😉

    Manchmal wünschte ich es gäb „Ohm to go“ beim Mäcces
    da wär ich Dauerkunde.
    Sehr liebe grüße zu dir
    Anne

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