Aufsichtspflicht?

Gestern Morgen war ich beim Discounter einkaufen. Meine Vorräte mussten aufgefüllt werden und da es im Moment, aufgrund der Wetterlage, echt kein Vergnügen ist einzukaufen und sich auf spiegelglatten Parkplätzen und Gehsteigen, auf den Allerwertesten zu setzen, habe ich mich aufgerafft, weil sie für heute und den Rest der Woche noch mehr Schnee angesagt hatten.

Gestern Morgen um 10 Uhr waren hier -4°C und es schneite leicht. Die Kinder hatten kein schulfrei.

Ich komme also beim Supermarkt an. Schon am Eingang fallen mir zwei kleine, blonde Buben auf. Sicher noch Grundschüler und somit höchsten 10 Jahre alt, eher jünger. Sie schlendern durch den Discounter, gucken mal hier, probieren dort ein wenig von den ausgelegten Früchten, sind offensichtlich ohne Begleitung unterwegs.
Ich, vorerst noch arglos, erledige meinen Einkauf. Ich versuche Nichts zu sehen, als sich die Jungs am Obst-Stand schadlos halten und jeder mal schnell einen Apfel und ein paar Mandarinen verdrücken. Sie sehen beide blass und hungrig aus, also, was soll’s? Auch ihr auffälliges Interesse an den Süßigkeiten und Keksen interessiert mich mal vorerst wenig. Im Vorbeigehen bemerke ich die Jungs jetzt bei den Spirituosen. Jetzt spreche ich sie an: „Habt ihr doch keine Schule heute?“ Antwort: „Nö“
„Wieso seit ihr dann um diese Zeit hier?“
„Weil wir im Religionsunterricht raus geworfen wurden!“ entgegnen mir die Beiden ohne die geringste Verlegenheit.
„Und dann dürft ihr einfach so die Schule verlassen?“ frage ich entgeistert.
„Ja, die haben daheim angerufen, die sollen uns bestrafen!“entgegnen mir die Zwei völlig emotionslos.
Ich merke, das ich anfange mich aufzuregen:
Wo wohnt ihr denn?
„Im J….stift“, sie nennen den Namen des örtlichen Kinderheims.
„Warum geht ihr da denn jetzt nicht hin? Habt ihr denn Angst vor der Strafe?“
Die Jungen schütteln betreten den Kopf: „Ne, da ist jetzt doch gar niemand den das interessiert!“
„Ok, dann seht trotzdem zu, das ihr nach Hause kommt und lasst euch nicht noch beim Klauen erwischen.“ Ich bin versucht ihnen ein paar Euro in die Hand zu drücken aber die Buben trollen sich schnellstens und verlassen zumindest den Supermarkt.

Ich bleibe zurück und bemerke Wut, die in mir hochsteigt. Einen Moment möchte ich die Zwei zurückpfeifen, sie in mein Auto setzen und zur Schule mit ihnen fahren. Ich möchte das Gesicht dieser Religionslehrerin gern sehen, wenn sich jemand angesprochen fühlt, und ihre Vorgehensweise kritisiert. Ich frage mich, was die Beiden angestellt haben, das diesen Schulverweis bei der herrschenden Kälte rechtfertigt? Hätte die Lehrerin ihn auch ausgesprochen wenn die Beiden aus einem „gut bürgerlichem“ Elternhaus kommen würden? Und, wo bitte bleibt da die viel zitierte Aufsichtspflicht?

Mal ehrlich, was haltet ihr davon?
Darf ein Lehrer Schüler unter 10 Jahren einfach auf die Straße setzen?
Welches Vergehen von Schülern rechtfertigt solches Vorgehen?
Müssen Lehrer nicht über so viel psychische Stabilität und vor allen Dingen auch psychologische Vorbildung, verfügen, das so was nicht vorkommt?
Wie traurig ist doch, dass das Problem schlecht ausgebildeter, inkompetenter Lehrer immer noch auf dem Rücken Zehnjähriger ausgetragen wird.

Ich bin sehr nachdenklich nach Hause gefahren. Gleichzeitig war ich überaus froh, dass meine Tochter ihre Schulzeit hinter sich hat, und das Kapitel „überforderte Lehrer“ hinter mir liegt.

Ich überlege allerdings immer noch, ob ich der Sache nicht nachgehe.

11 Gedanken zu “Aufsichtspflicht?

  1. wenn du es ertragen kannst, dass nachher NICHTS geschieht, mach’s! Es kann sich nur etwas bewegen, wenn darauf hingewiesen wird!

    zivilcourage ist ein seltenes gut geworden. Schön, wenn du bereit bist, dich einzumischen!

    bisous

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  2. Das mit dem Kinder ins Auto laden, kann man leider nicht machen. Denn es gilt, egal ob Mädchen oder Junge: „Geh mit keinem Fremden mit“. Dennoch hätte ich mir den Namen der Lehrerin geben lassen (das kannst du vielleicht auch noch rauskriegen, eventuell) und dort in der Schule angerufen und das Ganze ein wenig „an die Große Glocke gehängt“, denn defacto darf das der Leer…hups der Lehrkörper ja wohl nicht.
    Natürlich bringt es nichts, aber es zeigt vielleicht doch jemandem (wem auch immer und wenn nur den Jungen), daß sich doch noch jemand für andere Belange interessiert als nur die eigenen.

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  3. Ich hab heute morgen nach langem Überlegen in dem Heim angerufen aber da ich die Namen der Jungen nicht wusste haben die sich natürlich (ortstypisch) dumm gestellt und angeblich waren die Kinder nicht von ihnen. Nun, ich kann das Gegenteil nicht beweisen, und vielleicht haben mir die Jungs nur ordentlich was auf den Stock getan. Trotzdem bleiben mir Zweifel, denn mit Kindern, die im Supernarkt die geklauten Äpfel gleich hungrig verschlingen, stimmt irgendetwas nicht.
    Lg Anne

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  4. Genau das, Kann man nichtmachen, die kriegen gesagt sie sollen mit niemanden mitfahren, habe ich auch gedacht, und mich trotzdem geärgert es nicht einfach getan zu haben, denn als ich heute im Heim anrief, hat man schlicht geleugnet das die Kinder dorthin gehören. Vielleicht haben sie mich ja wirklich angelogen, heutzutage sind die Kinder ja z T. mit acht schon abgebrüht. Trotzdem , der Hunger, den die hatten, war echt und sie erschienen mir irgendwie so heimatlos!
    Liebe Grüße Anne

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  5. Ich muß gerade an den Selbstverteidigungsunterricht denken, den meine Tochter hatte. Die meisten Kinder waren nicht in der Lage, obwohl man ihnen ausdrücklich gesagt hatte, sie sollten auf die Frage „Wie heißt du?“ sagen „Das geht sie nichts an!“ das wirklich zu sagen.
    Die Kinder hier sind anders, man merkt wirklich die Entfernung „gefährlicher Städte“.
    Ich hörte irgendwann mal wie zwei 12jährige zueinander sagten: „Ich tret dir gleich mal in den Allerwertesten!“ Das fand ich rührend.
    Und auf einer Hüpfburg sprangen zwei 10jährige wie die Blöden total wild herum und als Svea sich da rauf bemühte (damals 2), sagte der Eine: „Eh, hör auf, da kommt ein kleines Kind!“ Und dann machten sie Platz und hüpften ganz langsam und rücksichtsvoll.
    Auch grüßen einen die Kinder hier noch freundlich. In Berlin ist das alles schon ziemlich auf dem Hund. Deswegen war ich anfangs hier wie in einer anderen Welt.

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  6. Guten Morgen.
    Hier ist ja nun auch tiefste Provinz, und öde, und ein etwas gewöhnungsbedürftiger, unkommunikativer Menschenschlag wohnt hier auch, dazu noch ein hoher Anteil an Migranten.
    Natürlich findest du hier nette Kinder, aber die meisten sind genauso stur wie ihre Eltern.
    Zudem ist hier auch noch eine katholische Enklave in einem ansonsten überwiegend lutherischen Umkreis. Ne, die Südoldenburger sind schon ein sehr gewöhnungsbedürftiges Völkchen. die definitiv nach einer anderen Zeitrechnung leben. Jedes Mal, wenn ich mit den Freunden in der „richtigen“ Welt telefoniere, fragen die mich, wann ich denn endlich wieder wegziehen will. Und ich frag mich zunehmend auch, was mich hier nach dem Tod meiner Eltern, eigentlich noch hält. Ich muss mir eingestehen, mich überall sonst auf der Welt mehr zu Hause gefühlt zu haben wie hier.

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  7. Das geht mir hier ähnlich. ALle sind sehr freundlich, aber es geht nicht weiter. Wir sind und bleiben Außenseiter und die Stimmung gegen Wessis ist hier schlecht. Manchen ist’s egal, aber viele hassen Wessis, kein Wunder, haben doch nach der Wende zu viele hier das schnelle Geld machen wollen. (Positiv: uns „Ökoaussteiger“ finden sie noch sympathisch)
    Vieles ist hier definitiv noch so wie zu Ostzeiten. Im Kiga werden die alten Lieder gesungen, „sport frei“ usw.. Und die alten IMs sind heute noch so neugierig wie damals.
    Und das Leben der Leute hier ist hart. Wir haben eine Arbeitslosenquote von 24%!
    Die Väter sind meist woanders, DK, Össiland, SE usw., denn nur da gibt es Arbeit. Oder sie arbeiten in HH und Umgebung.
    Haben die Väter hier noch Arbeit, dann müssen die Mütter auch Vollzeit arbeiten, denn von einem Gehalt kann man hier nicht leben. Nicht als Familie. Viele Kinder sind bis nachmittags im Hort. Ich finde das ist kein Leben für Kinder. Ich weiß nicht, wozu der Mensch Kinder bekommt, wenn er sie nur abends ein paar STunden sieht und am WE, da sind die Eltern meist ausgepowert.

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  8. sehr nachdenklich deinen kommentar gelesen…

    ich habe noch TV bilder vor augen, bei denen ich schaudernd dachte so respektlos können die doch nicht mit den „ossis“ umgehen! und von deutschen, „wessis“ böse angeblafft wurde: du kannst das nicht verstehen, wir waren schon immer ein volk, die integrieren wir sofort, die wollen das so! von wegen „integrieren“, „anektieren“ heisst das !

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  9. Und wenn du heute eine Anzeige schalten würdest, die Leut‘
    sollten kommen und einen Stein mitbringen um die Mauer wieder aufzubauen?… Ich hätte Angst sie würde heute höher als sie je war!

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  10. Yep, viele haben diese Einstellung.
    Andere machen ganz ungefragt den Konsum mit, als wäre nie was gewesen. Damals in der SED und heute auch noch, nur ist das heute die Abkürzung für Sinnlose Einkaufs-Dummies. 😉

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